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17. Gesprächskreis Kartellrecht (2. Februar 2023)

Themen: Unternehmensbegriff und Bußgeldbemessung

Zum kartellrechtlichen Jahresauftakt fand sich das Who-is-who der (Düsseldorfer) Kartellrechtscommunity – aus Anwaltschaft, Wissenschaft, Behörden und Gerichtsbarkeit – zum 17. Gesprächskreis Kartellrecht auf Schloss Mickeln ein. Eingeladen hatte das Institut für Kartellrecht der Heinrich-Heine-Universität, das von Prof. Dr. Christian Kersting und Prof. Dr. Rupprecht Podszun geleitet wird.

Der hochkarätige Gast des Abends war Prof. Dr. Dr. (Harvard) Dr. h.c. mult. Juliane Kokott, die seit 2003 Generalanwältin am Gerichtshof der Europäischen Union ist. Kokott prägt als Generalanwältin das Kartellrecht der EU – doch nicht nur dieses, wie Prof. Podszun in seiner kurzen Einführung herausstellte: Mit etwa 20-30 Stellungnahmen im Jahr zu ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten ist die Generalanwältin eine wichtige Wegbereiterin der EuGH-Rechtsprechung. Immer wieder hat Frau Kokott auch Gelegenheit, in kartellrechtlichen Verfahren zu gutachten – zuletzt etwa in den Fällen Towercast, CK Telecoms UK oder Servier.

Die Generalanwältin ging in ihrer Ansprache gleich auf zwei kartellrechtliche „hot topics“ ein: Zum einen den Unternehmensbegriff im Wettbewerbsrecht, der in den letzten Jahren in der Rechtsprechung des EuGH erhebliche Veränderungen erfahren habe, maßgeblich wissenschaftlich begleitet durch Prof. Kersting. Kokott zeichnete die Rechtsprechung des EuGH nach, einschließlich des gerade einmal zwei Wochen alten Urteils in der Sache Unilever Italia (Rs. C‑680/20). Die lebhafte Diskussion im Anschluss zeigte, dass der Rechtsprechung bisweilen ein klarer dogmatischer Kompass fehlt. Manchen Konstellationen, die der EuGH über den Unternehmensbegriff einzufangen versucht, sei besser über andere kartellrechtliche Stellschrauben zu begegnen.

Im zweiten Teil ihres Vortrags befasste Kokott sich mit der Bemessung von Bußgeldern in Kartellverfahren. Sie warf die Idee klarerer gesetzlicher Vorgaben in den Raum, die aus ihrer Sicht nicht nur als soft law eine Selbstbindung der Kommission bewirken. Die kontroverse und zum Teil leidenschaftlich geführte Diskussion im Anschluss zeigte unterschiedliche Blickwinkel aus Behörden-, Gerichts- und Anwaltssicht. Auch wurden Unterschiede zwischen Kartellverfahren vor deutschen und europäischen Gerichten deutlich. Im Mittelpunkt stand insbesondere die nach beiden Rechtsordnungen mögliche reformatio in peius im Gerichtsverfahren, also die Erhöhung der Geldbuße durch das Gericht nach Anfechtung durch das betroffene Unternehmen. Ob die neuen Vorgaben in § 81d GWB zur Bußgeldbemessung im Kartellrecht zu mehr Vorhersehbarkeit für Unternehmen beitragen, blieb offen.

Die Generalanwältin zeigte sich einerseits klar und direkt („Ich weiß, das sehen Sie so, ich – noch – nicht.“), andererseits aber auch dankbar und offen für die zahlreichen Hinweise aus der Praxis. Der Abend klang in der schönen Atmosphäre von Schloss Mickeln aus. Für Juliane Kokott war es übrigens eine Rückkehr nach Düsseldorf: Sie hatte von 1995 bis 1999 den Lehrstuhl für deutsches und ausländisches öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der HHU inne.

 

 

Bericht: Alexander Kirk

Fotos: Clemens Pfeifer

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