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Bericht zum Forum Unternehmensrecht am 04.04.2019: Modernisierung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht

Gemeinsam mit dem Institut für Unternehmensrecht (IUR) hat das Institut für Kartellrecht der Heinrich-Heine-Universität (IKartR) am 4. April 2019 zu einer weiteren Veranstaltung aus der Reihe Forum Unternehmensrecht eingeladen. Thema des Abends war die Modernisierung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht. Die Direktoren des Instituts für Kartellrecht, Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale) und Prof. Dr. Rupprecht Podszun, konnten eine große Zahl Anwälte, Richter, Studierende und weitere Gäste begrüßen.

Als Referent des Abends stellte Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Duesseldorf Institute for Competition Economics (DICE), in einem informativen und anregenden Vortrag die von ihm mitverfasste Studie zur Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen vor. Die Studie untersuchte, ob angesichts der Besonderheiten der digitalen Wirtschaft (digitale Plattformen, Daten als kritische Inputressource) das geltende Kartellrecht hinreichend gewappnet sei, diesen neuartigen Phänomenen zu begegnen. Nach einer kurzen Einführung in die Plattformökonomie griff Herr Prof. Dr. Haucap besonders interessante Fragestellungen heraus.

Dabei stellte er vier wesentliche Problemfelder digitaler Plattformen heraus: So sei die digitale Wirtschaft insbesondere geprägt von (1) stärkeren Anreizen zu Marktverschluss, (2) der Gefahr der Kombination von Marktmacht mit Informationsmacht, (3) konglomeraten Effekten, die dazu führen können, dass Konzerne, ohne auf einzelnen Märkten marktbeherrschend zu sein, zu unausweichlichen Vertragspartnern aufsteigen, und (4) Problemen sowie Notwendigkeit der Marktabgrenzung, da die überkommenen Methoden an Grenzen stießen.

Herr Prof. Dr. Haucap betonte zudem die Relevanz des sog. Multihomings als Voraussetzung zur Sicherung wirksamen Wettbewerbs. Ein reformiertes Kartellrecht sollte diese Möglichkeit der Nachfrager, parallel und ohne Nachteile auf mehreren digitalen Plattformen tätig zu sein, erhalten.

Im Ergebnis seien die bestehenden Instrumente des Kartellrechts moderat anzupassen. Es empfehle sich eine fallgruppenspezifische Absenkung der Interventionsschwelle. Auch seien die überkommenen Methoden der Marktabgrenzung zu hinterfragen. Aufgrund der Prägung durch europäisches Recht seien aber etwaige dortige Anpassungen abzuwarten.

Sodann kommentierte Jörg Nothdurft, Abteilungsleiter Prozessführung und Recht im Bundeskartellamt, ebenso kundig und kurzweilig die vorgetragenen Ergebnisse der Missbrauchsstudie aus juristischer Sicht. Er zeichnete die geschichtliche Entwicklung der Internetökonomie von ihren lebhaften Kinderjahren bis zu ihren heutigen Ausprägungen mit ihren Internetgiganten nach. Marktmacht könne auch zu Meinungs- und politischer Macht genutzt werden. Dabei zog er auch eine Parallele zur damaligen Situation in den USA, die zur Verabschiedung des Sherman Acts führte.

Auch Herr Nothdurft sprach sich im Ergebnis für eine eher kleinschrittigere Fortentwicklung und Nachschärfung der bestehenden Instrumente zur Kartellrechtsdurchsetzung aus.

In der sich anschließenden lebhaften Diskussion wurde unter anderem das Problem diskutiert, dass viele Internetdienste ohne (monetäre) Gegenleistung angeboten werden und auch einen erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen bieten, was erhebliche Schwierigkeiten bei der Grenzziehung des Missbrauchs mit sich bringe.

Ferner erfordere das von Herrn Prof. Dr. Haucap vorgestellte Konzept einer Intermediationsmacht keine Marktabgrenzung, die das bestehende Gesetz allerdings noch voraussetze. Daher wurde in diesem Bereich ein gesetzgeberischer Anpassungsbedarf diskutiert. Wie die Intermediationsmacht zu definieren sei, bereite erhebliche Schwierigkeiten.

Schließlich wurde angedacht, den neuen Phänomenen mit dem alten Instrument der Entflechtung zu begegnen, was allerdings auf Vorbehalte stieß.

Das IKartR und das IUR bedanken sich bei den beiden Referenten und allen Teilnehmern sowie bei der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, die die Räume des Oeconomicums für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt hat.

Weitere Hinweise:

gez. Hauser/Otto